Nachteilsausgleich

Was ist ein Nachteilsausgleich?

Ein Nachteilsausgleich ist sowohl für Regelschüler/innen als auch für Studenten und Studentinnen interessant und sollte bestenfalls in Anspruch genommen werden. Nachfolgend findet ihr Informationen speziell für die Regelschule und für das Studium. Mehr hilfreiche Informationen findet ihr auch in unserem Reiter „Ratgeber & Recht“.

 

Nachteilsausgleich für Regelschüler

Es gibt eine ganze Reihe von Tipps, die dem Schwerhörigen das Leben an der Regelschule wesentlich erleichtern können. Oft macht schon eine Kleinigkeit (wie z.B. Filz unter die Stühle zu kleben) eine enorme Verbesserung aus. Beim Umsetzen aller Tipps bist du natürlich auch auf die Kooperation und Mitarbeit deiner Lehrer/innen aber auch deiner Mitschüler/innen angewiesen.

Was kannst du tun, damit deine Lehrer/innen dich unterstützen?

  • Gib ihnen erst einmal Informationen über die Hörschädigung und versuche zu erklären, wie schwierig das Hören für dich ist und dass der Hörbehinderung nicht mit den Hörhilfen auszugleichen ist. Lass dir dabei z.B. von deinen Beratungslehrern helfen oder Informationsbroschüren geben. Viele Lehrer können sich überhaupt nicht vorstellen, was das Leben mit einer Hörschädigung bedeutet.
  • Überfahre deine Lehrer nicht mit Forderungen, sondern führe zunächst einmal ein ruhiges Gespräch. Erläutere deine Grenzen und beschränke dich auf einige Punkte, die dir besonders wichtig sind, damit du dich wohl fühlst und gut verstehen kannst. Wenn du dich dabei alleine unwohl fühlst, dann nimm deine/n BeratungslehrerIn oder eine/n FreundIn mit.
  • Gib ihnen z.B. die unten folgenden Informationen schriftlich.
  • Wichtig: Mache Alternativ-Vorschläge. Sage nicht nur: „Ich kann aber kein Diktat schreiben.“, sondern mache statt dessen den Vorschlag: „Ich kann aufgrund meiner Hörschädigung das Diktat nicht mitschreiben, weil ich einfach zu vieles nicht verstehe. Ich bin aber bereit, in der Zeit, in der das Diktat geschrieben wird, stattdessen eine alternative Aufgabe zu erledigen, z.B. einen Aufsatz zu schreiben.“
Was kannst du tun, um an der Regelschule besser zurechtzufinden?
Verbesserung des Umgangs: Persönliches für die Lehrer

  • Bitte die Lehrer, mit dem Gesicht zur Klasse gedreht zu sprechen und nicht nebenbei etwas zu erklären, wenn sie gleichzeitig an der Tafel schreiben.
  • Bitte deine Lehrer, dir sehr wichtige Dinge, also z.B. Hausaufgaben, Aufgabenstellungen bei Tests und Klassenarbeiten, Informationen bzgl. irgendwelcher Ausflüge etc. schriftlich mitzuteilen!
  • Deine Note sollte so bewertet werden, dass die schriftlichen Arbeiten zu 70% und die mündliche Mitarbeit nur zu 30% in die Note einfließen. (Das kann über den Nachteilsausgleich geregelt werden!) Mache deinem Lehrer den Vorschlag, dass du anstelle der mündlichen Mitarbeit bereit bist, alternative Aufgaben zu erfüllen, z.B. eine kleine Hausarbeit zu schreiben.
  • Bitte deine Lehrer darauf zu achten, dass es in der Klasse einigermaßen ruhig ist, wenn wichtige Mitteilungen gemacht werden.
  • Wenn bei Klassenarbeiten z.B. eine Aufgabenstellung das Anhören eines Textes oder das Anschauen (und Verstehen) eines Filmabschnitts verlangt, dann sollte diese Aufgabe bei dir nicht bewertet werden. Oder aber der Lehrer soll dir eine schriftliche Version des Textes vorlegen, damit du wirklich alles verstehst.
  • Und, ganz wichtig: all dies sollte nicht ständig mit der Begründung erfolgen: „XY kriegt sonst nix mit.“ Das drängt dich nämlich in eine Sonderrolle und fördert das soziale Miteinander in der Klasse nicht gerade. Es sollte zwar durchaus kurze Erklärungen geben (z.B. warum du eben eine schriftliche Aufgabe statt der mündlichen Mitarbeit machen darfst), aber es sollte nicht ausarten.

Verbesserung der Akustik: Organisatorisches/Akustisches den Raum betreffend

  • Die beste Sitzform für dich ist die U-Form, da du dadurch immer Blickkontakt mit deinen Mitschüler/innen haben kannst und sie dadurch besser verstehst. Bitte darum, dass in eurer Klasse eine solche Sitzordnung eingerichtet wird.
  • Du solltest dann vorne an der Seite sitzen, mit dem RÜCKEN zum Fenster und so, dass du möglichst viele Mitschüler im Blick hast.
  • Wenn möglich, sollte eine Freundin neben dir sitzen, bei der du notfalls abschreiben kannst, wenn du eine Mitteilung/eine Aufgabenstellung nicht verstanden hast.
  • Die Stühle sollten von unten mit Filz beklebt werden, damit der Geräuschpegel reduziert wird. Ebenso sollten, wenn möglich, Vorhänge an den Fenstern angebracht werden.
Gesetzliche Grundlagen (hier aus der Schulordnung von NRW)
Allgemeine Schulordnung (AScho) für Nordrhein-Westfalen

§ 22 Abs. 2, Schriftliche Arbeiten und Übungen, Randnummer 16:
Behinderten Schülerinnen und Schülern sind Erleichterungen in Form von technischen Hilfsmitteln zu gewähren. Es gibt keinen allgemeinen Bewertungsgrundsatz, dass solchen Schülerinnen und Schülern zeitliche Vergünstigungen gewährt werden ( VGH Hes, Kassel, 16. 9. 1964, SPE n.F. 600, Nr. 2 ). Bei der Gewährung entsprechender Erleichterungen steht der Schule kein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Art und Umfang der Erleichterungen sind danach auszurichten, dass die Beeinträchtigung voll ausgeglichen wird. Vergleichsmaßstab sind insoweit die Bedingungen der nicht behinderten Schülerinnen und Schüler. Art und Bemessung der Ausgleichsmaßnahmen sind danach auszurichten, das dem Grundsatz der Chancengleichheit möglichst vollständig Genüge getan wird (VGH BaWü, Mannheim, Beschl. v. 26. 8. 1993, SPE n.F. 600, Nr. 16.

Dies bedeutet, dass deine Lehrer dir einen gewissen Nachteilsausgleich gewähren müssen. Und zwar in dem Maße, dass deine Beeinträchtigung so ausgeglichen wird, dass du in der Lage bist, genauso wie deine hörenden Klassenkameraden dem Unterricht zu folgen bzw. deine Aufgaben zu erledigen.

Eine gute Auflistung verschiedener Nachteilsausgleiche findet man hier: http://integrationskinder.org/schule/nachteilsausgleich.htm
Diese Seite bezieht sich eigentlich auf blinde Kinder, man findet dort aber alle wichtigen Paragraphen und weiß dann, wo man weitergehende Informationen suchen kann.

Du wirst nicht von einer/m Beratungslehrer/in betreut?
An jeder größeren Schwerhörigenschule gibt es spezielle Förderstellen (Ambulante Fördermaßnahme), die schwerhörige Schüler/innen an Regelschulen betreuen. Wenn du bisher nicht von einer solchen Stelle betreut wirst, dann bitte deine Eltern, sich für dich schlau zu machen und die für dich zuständige Stelle zu finden.
Dein/e Beratungslehrer/in kann dir immer helfen und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sie/Er kann auch ein aufklärendes Gespräch mit deinen Lehrer/innen führen und somit auch über deine Hörminderung und den damit verbundenen Besonderheiten aufklären, aber z.B. auch einen Nachteilsausgleich für dich aufsetzen. Der Betreungslehrer/Die Betreungslehrerin ist dein Ansprechpartner für alle Probleme im schulischen Bereich, die mit deiner Hörschädigung zusammenhängen.
Quellen und weiterführende Informationen

 

 

Nur weil du studierst, hast du keinen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich? Falsch gedacht! Anbei haben wir mehrere Begründungen sowie Beispiele für dich zusammengetragen. Selbst wenn die Universität oder Hochschule dir deinen Nachteilsausgleich nicht gewähren möchte, solltest du auf jeden Fall Widerspruch einreichen und dafür kämpfen.

Nachteilsausgleich im Studium – Begründung

Prof. Lindner, ehem. Lehrstuhlinhaber für Phonetik an der Humboldt-Universität in Berlin, wurde vom Behindertenbeauftragten der Bundesregierung gebeten, eine Denkschrift zur Situation Hörgeschädigter beim Studium zu verfassen. Die Schrift führt folgende Gründe für eine Prüfungszeitverlängerung an:

  1. Der Sprachauf und -ausbau verläuft bei Hörbehinderten nicht automatisch, sondern er erfordert große zusätzliche Anstrengungen, die von der Schule und darüber hinaus von jedem einzelnen zu leisten sind.
  2. Erschwert wird dieser lebenslange Prozess durch die zahlreichen Mehrdeutigkeiten im Deutschen und durch den umfangreichen Wortschatz von mind. 30.000 Wörtern, über den ein durchschnittlicher Student verfügt.
  3. Sprachproduktion erfordert bei Hörbehinderten im Vergleich zu Hörenden zusätzliche Reflexion über Sprache, d.h. sie haben einen erhöhten Zeitbedarf.
  4. Bei der Bewertung von schriftlichen Prüfungsaufgaben wird auch die sprachliche Bewältigung berücksichtigt, eine Prüfungszeitverlängerung ist deshalb gerechtfertigt.

Die Denkschrift schließt mit den Worten:
„Wer dem Hörgeschädigten die Zeit für zusätzliche Denkvorgänge verweigert, beweist damit nur, daß er weder über einen Einblick in die Besonderheiten der deutschen Sprache verfügt, noch sich je bemüht hat, sich mit den Schwierigkeiten der künstlichen Sprachanbildung auseinanderzusetzen.“

Prof. Lindner argumentiert hier aus der Perspektive eines Sprachwissenschaftlers und Hörgeschädigtenpädagogen. Seine Aussagen lassen sich weiter stützen durch Erkenntnisse aus dem Bereich der Neurophysiologie. Vor allem US-amerikanische Studien weisen sog. „kritische Perioden“ in der kindlichen Sprachentwicklung nach. Das sind Zeitabschnitte, in denen qualitativ unterschiedene Bereiche des Sprachvermögens sukzessive ausgebaut werden. Man nimmt drei Perioden des Sprachlernens an:

  1. Periode Diskrimination von Phonemen bis zum ersten Lebensjahr;
  2. Periode semantische Organisation um das 4. Lebensjahr;
  3. Periode syntaktische Entwicklung bis zum 15. Jahr;

Eine Beeinträchtigung des Hörens während einer dieser kritischen Perioden (v.a. während der ersten Periode) kann eine Beeinträchtigung der Sprachkompetenz zur Konsequenz haben. In medizinischen Forschungsberichten werden negative Auswirkungen frühkindlicher Mittelohrentzündungen auf die Sprachentwicklung von Schulkindern nachgewiesen.

Wenn schon eine nur vorübergehende Hörstörung solche Konsequenzen hat, um wieviel mehr muss sich eine dauerhafte Hörbehinderung auf die Entfaltung der Sprachkompetenz auswirken!

Quelle: http://www.best-news.de/?begruendung_studium

Rechtliche Grundlagen
Das im Grundgesetzes verbriefte Recht, „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ (GG Art.3, Absatz 3, Satz 3) erhält durch das neue Sozialgesetzbuch IX und das Gleichstellungsgesetz wichtige Konkretisierungen für Menschen mit (Hör-)Behinderung in Ausbildung und Studium.
Wichtigste Änderung ist die in Art. 1 § 6 des Gleichstellungsgesetzes vollzogene Anerkennung der Gebärdensprache als eigenständige Sprache.Das Berufsbildungsgesetz wird mit laut Artikel 41 des SGB IX ergänzt um § 48a:„§ 48a Berufsausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen(1) Regelungen nach den §§ 41 und 44 sollen die besonderen Verhältnisse behinderter Menschen berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die zeitliche und sachliche Gliederung der Ausbildung, die Dauer von Prüfungszeiten, die Zulassung von Hilfsmitteln und die Inanspruchnahme von Hilfeleistungen Dritter wie Gebärdensprachdolmetscher für hörbehinderte Menschen.“Und nach Art. 28.2 des Gleichstellungsgesetzes wird § 16 des Hochschulrahmengesetzes wie folgt geändert:
Nach Satz 3 wird folgender Satz eingefügt:
„Prüfungsordnungen müssen die besonderen Belange behinderter Studierender zur Wahrung ihrer Chancengleichheit berücksichtigen.“Mit beiden Gesetzesnovellierungen ist der rechtliche Rahmen dafür geschaffen, dass behinderte Studierende und Auszubildende einen Anspruch auf eine adäquate Modifikation ihrer Prüfungen geltend machen können. Dies können sie u.E. auch dann, wenn noch keine entsprechenden Landesgesetze verabschiedet wurden und in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen der Hochschulen diese Gesetzesvorgaben noch nicht umgesetzt wurden.Quelle: http://www.best-news.de/?stud_regelungen
Auf was habe ich als Hörgeschädigter im Studium konkret Anspruch?
  • schriftliche Ergänzungen mündlicher Prüfungen
  • Zeitverlängerung für Hausarbeiten, Klausuren etc.
  • Abänderung von Praktikumsbestimmungen
  • Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern

Quelle: http://www.best-news.de/?stud_regelungen

Die Uni Hamburg hat dies noch ein wenig detaillierter formuliert:

  • Anwesenheit von Gebärdensprachdolmetscher/innen bei schriftlichen Prüfungen, die etwaige Mitteilungen der aufsichtsführenden Personen sowie Rück- oder Verständnisfragen übersetzen können
  • Einsatz von Gebärdensprachdolmetscher/innen bei mündlichen Prüfungen.
  • Verlängerung der Bearbeitungszeit zeitabhängiger Studien- und Prüfungsleistungen (z. B. Klausuren, Haus- oder Diplomarbeiten)
  • Mitbestimmungsmöglichkeit der/des Studierenden bei der Festlegung von Prüfungstermine (damit z. B. auch die vom Studierenden präferierten Gebärdensprachdolmetscher/innen eingesetzt werden können)
  • Erbringen von Studien- und Prüfungsleistungen in einer anderen als der vorgesehenen Form, z.B. Ersatz von mündlichen durch schriftliche Leistungen, Einzel- statt Gruppenprüfung
  • Durchführung der Prüfung in einem gesonderten Raum
  • Veränderung des Gesamtzeitraums, in dem bestimmte Studien- und Prüfungsleistungen zu erbringen sind
  • Berücksichtigung der studienzeitverlängernden Wirkungen einer Hörschädigung bei der Gewährung so genannter „Freiversuche“

Es lassen sich auf der Homepage der Uni Hamburg außerdem noch spezielle Informationsmaterialien finden. Es sollte aber beachtet werden, dass diese Regelungen unter Umständen nur in Hamburg gelten! Dennoch darf jedoch davon ausgegangen werden, dass diese Bestimmungen denen in anderen Bundesländern zu weiten Teilen entsprechen.

Quelle u.a.: http://www.uni-hamburg.de/studieren-mit-behinderung/beratung/nachteilsausgleiche.pdf

 

Wie beantrage ich einen Nachteilsausgleich?
Das kann so pauschal nicht beantwortet werden, da das Beantragen von Hochschule zu Hochschule verschieden ist. Sehr häufig kann einem aber schon die Homepage der Universität oder der/die „Behindertenbeauftragte“ (sofern denn vorhanden) oder die Studienberatung weiterhelfen.
In der Regel können (und sollten) die entsprechenden Anträge, gleich zu Beginn des Studiums beim Prüfungsamt eingereicht werden. Diese besitzen dann über die gesamte Studiendauer hinweg Gültigkeit. Der formlose Antrag sollte mit einer ärztlichen Bescheinigung über Art und Schwere der Hörbehinderung und evtl. mit einer pädagogischen Stellungnahme zur Begründung der Maßnahme eingereicht werden.
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